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Lange Musiknacht zum 100. Geburtstag von Hugo Distler und Olivier Messiaen
Gewaltige Akzente in der Sinnlichkeit von Leben und Musik
Lemgo (bj). Das musikalische Programm der langen Musiknacht des diesjährigen Orgelfestivals in der Kirche St. Marien wurde zum Ständchen für gleich zwei Hundertjährige. Der Zyklus »La Nativité du Seigneur« von Olivier Messiaen eröffnete, von Organist Gerhard Weinberger interpretiert, die mehr als dreistündige Musiknacht. Souverän gestaltete dieser die Hommage an den modernen Komponisten. Die Zuhörer waren mit der temperamentvollen und fesselnden Interpretation über ihre Erwartungen hinaus befriedigt. Erstaunlich war, welch verschiedene Farben und Effekte der Musiker an der großen Orgel zu einem imposanten Klanggefüge ineinander zu weben verstand.
Die nach der ersten Pause zur Aufführung gebrachte Fassung des »Totentanz« von Hugo Distler fand ihre Grundlage auf den mahnenden Versen des Lübecker Totentanzes aus dem 15. Jahrhundert, einer Zeit in der in Europa die Pest wütete. Es handelt sich hierbei um eine Darstellung, in der der Tod nacheinander verschiedenen Menschen begegnet. Johannes Klöcking hat die Verse überarbeitet. Streichungen und Umgestaltungen waren an den Stellen nötig, wo der alte Text nicht mehr das Herz der Menschen in der Gegenwart erreicht. Hugo Distler hat zu den Versen einleitende Sätze komponiert. Die Sprüche von Angelus Silesius wurden gelesen von Stefan Gohlke. Der Schauspieler war mehr als drei Jahrzehnte an den Städtischen Bühnen engagiert. Rund 140 Rollen hat der Mime in dieser Zeit verkörpert. Seine mit eindringlicher Stimmlage dargebrachte Wort- und Sinngestaltung der Sprüche von Leben und Tod unterstrich die mystische Bedeutung der Verse. Ebenfalls von Distler stammen Thema und Variation für Flöte solo, die erklingen, wenn der Tod sich von einer Person zur nächsten begibt. Johannes Heckmair, 1. Soloflötist der Nordwestdeutschen Philharmonie, interpretierte diese Passagen eindrucksvoll an der Querflöte. Weitere Mitwirkende waren die Sängerinnen und Sänger der Lemgoer MarienKantorei, die ihren Vortrag in beeindruckender Koloratur vermittelten. Das im dritten Teil zu Gehör gebrachte Ständchen für die beiden Jubilare wurde von hochklassigen Blechbläsern gespielt. Das Solistenquintett »Brass Consort Köln« mit Musikern des WDR-Sinfonieorchesters spielte Stücke von Henry Purcell, Olivier Messiaen, Maurice Ravel, Hugo Steketee und Viktor Ewald. Hinreißend und mit äußerster Klangsensibilität gelang ihnen der virtuose Ausdruck prall gefüllter Emotionen. Mit Riesenapplaus gaben die Zuhörer ihrer Begeisterung für den rundum gelungenen Abend Ausdruck.
vom 05.11.2008 | Ausgabe-Nr. 45A