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» Kreis Lippe
Unklare Zukunft für viele Sportanlagen
Neue EU-Verordnung: Plastikgranulat als Einstreumaterial auf Kunstrasenplätzen zu verbieten
Da im Einstreumaterial, mit dem Kunstrasenplätze bestreut werden, Mikroplastik enthalten ist, sorgt das Verbot auch bei lippischen Sportvereine und Kommunen für Aufhorchen. Die Nachricht hat die Kommunen durch einen Schnellbrief des Städte- und Gemeindebundes NRW erreicht.
Auf einem Fußballplatz liegen etwa 35 Tonnen des Kunststoffgranulats. Es besteht meist aus alten Autoreifen. Die Auswirkungen der Plastikpartikel für Mensch und Natur sei nach Angaben des Gesundheitsamtes des Kreises Lippe noch nicht einzuschätzen. "Inwieweit Mikroplastik negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat, wird derzeit noch erforscht", erläutert Lydia Penner, Pressesprecherin des Kreises Lippe. Die Geplante EU-Richtlinie zur Regulierung der Verwendung von Mikroplastik sei präventiv im Sinne möglicher schädlicher Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt, so das Gesundheitsamt. Aktuell sammelt die europäische Chemikalienagentur (ECHA) weitere Informationen zum Einstreumaterial auf Kunstrasenplätzen und dessen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. Die Ergebnisse will sie im Frühjahr 2020 der Europäischen Kommission vorlegen. Das Einstreumaterial auf Kunstrasenplätzen wird durch die Nutzung und den Wind abgetragen und gelangt dadurch in die Umwelt. Dazu gehören auch Flüsse und Bäche. Da das Trinkwasser im Kreis Lippe überwiegend aus natürlichen Grundwasservorkommen gewonnen wird, müssen sich die Lipper nach Angaben des Gesundheitsamtes und des Umweltbundesamtes aber nicht um eine erhöhte Belastung von Mikroplastik im Trinkwasser sorgen. "Bei einer sorgfältigen Planung der Sportstätte und umsichtiger Pflege des Kunstrasens kann der Verlust an Einstreugranulat auf ein Minimum reduziert werden", erklärt Lydia Penner. Weiter auf Seite 2. Dem Kreis seien keine nachhaltigen negativen Auswirkungen auf das Grund- und Oberflächenwasser bekannt. Außerdem werde das Einstreumaterial umweltgerecht entsorgt. Es handle sich nicht um gefährlichen Abfall im Sinne der Abfallverzeichnisverordnung. Durch die Nahrungskette gelangt Mikroplastik auch in Lebensmittel. Nach Angaben des Bundesamtes für Risikobewertung sei aber noch unklar, wie hoch die Menge des Mikroplastiks in einzelnen Lebensmitteln ist. Nachgewiesen wurde es zum Beispiel in Honig, Muscheln und Tafelsalz. Das Bundesamt für Risikobewertung geht aktuell davon aus, dass es keine gesundheitlichen Risiken durch Plastikpartikel in der Nahrung gebe. Eine abschließende Risikobewertung darüber gebe es aber noch nicht. Die Stadt Lemgo hat die Nachricht über ein mögliches Verbot gerade noch rechtzeitig ereilt. Am Braker Walkenfeld wird aktuell ein Kunstrasenplatz gebaut, der mit eben diesem Kunststoffgranulat gefüllt werden sollte. Die Stadt Lemgo hat schnell reagiert und entschieden, den Sportplatz mit umweltverträglicherem Korkmaterial zu füllen. Die Füllung aus Kork sei genauso gut bespielbar wie aus Kunststoff. Die Mehrkosten belaufen sich auf schätzungsweise 20.000 Euro. Da der Kunstrasenplatz mit 500.000 Euro veranschlagt wurde, fallen die Mehrkosten in diesem Fall kaum ins Gewicht. Anders sieht das aus, wenn Kommunen das Granulat auf allen Sportplätzen ersetzten müssten. Die Kosten für die Füllung des Kunstrasens variieren je nach Hersteller und Material. Ein mit Kunststoffgranulat aufgefüllter Kunstrasenplatz schlägt mit etwa 3,50 Euro pro Quadratmeter zu buche. Eine Kork-Füllung kostet aktuell circa 5,50 Euro pro Quadratmeter. Vermutlich werden die Preise hierfür bei einer stärkeren Nachfrage steigen."Ein kurzfristiges Umrüsten von einem Platz mit Kunststoffgranulat hätte nach unserer Schätzung immense Kosten von 80.000 bis 120.000 Euro zur Folge", vermutet Philipp Stempel vom Städte- und Gemeindebund NRW. Nach Informationen des Spiegels fordert der DFB eine Übergangsfrist von sechs Jahren, um Kommunen und Vereine zu entlasten. Da Kunstrasenplätze eine Lebensdauer von etwa 15 Jahren haben, müssten viele in der Zwischenzeit routinemäßig erneuert werden. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer setze sich laut Spiegel für eine Übergangsfrist ein, da sonst unter Umständen Sportanlagen vor dem Aus stünden. Nach Angaben der Europäischen Kommission werde der Sachverhalt aktuell noch geprüft. Es sei noch über keine neue Regelung entschieden. Schließungen von Kunstrasenplätzen würden die EU und die ECHA nach eigenen Angaben nicht beabsichtigen. Mikroplastik ist eines der großen Umweltprobleme unserer Zeit. Pro Jahr werden in Deutschland circa 330.000 Tonnen auf verschiedenen Wegen an die Umwelt abgegeben. Den größten Anteil daran hat der Abrieb von Autoreifen auf den Straßen. Laut Fraunhofer-Institut sollen Sportplätze auf Platz drei stehen. Endgültig bewiesen ist das jedoch noch nicht, denn andere Studien kommen auf einen deutlich geringeren Wert. Kunstrasenplätze, wie hier in Jerxen-Orbke, werden auch für den Schulsport gerne und viel genutzt. Foto: Merz
vom 07.08.2019 | Ausgabe-Nr. 32A