Inhalt
» Kultur
Nun macht euch mal locker!
"Georg Breinschmid & Friends" im Meisterkonzert der Musikhochschule
Detmold (kh). Wow ... was war denn das? Kleine Revolution im Konzerthaus? Mischpult. Verstärker. Mikrophone. Ein Tablet statt Notenblättern. Und dann noch diese Musik ... irgendwo zwischen Jazz und unkategorisierbar. Witzig. Schräg. Eine Spur provokant. Dass das nicht allen gefiel, ließ sich an den Gesichtern ablesen. Während die einen amüsiert reagierten und zwei Stunden Entdeckerglück genossen, stand anderen das Unbehagen auf die Stirn geschrieben. Letzteren hätte man am liebsten zugerufen: "Nun macht euch mal locker!"
Aber vermutlich war das tatsächlich leichter gesagt als getan. SInd "Georg Breinschmid & Friends" doch eine ganz andere Meisterkonzertkost als das Publikum es in der gewöhnlich auf "ernste Musik" ausgerichteten Aboreihe gewohnt ist. Dabei stand mit Breinschmid durchaus ein studierter "E-Musiker" auf der Bühne. Der als klassischer Kontrabassist ausgebildete Österreicher war unter anderem tätig in den Reihen der Wiener Philharmoniker, bis er 1999 das Handtuch warf und sich anderen Musikstilen verschrieb. Seitdem überrascht er mit Bands in unterschiedlicher Besetzung mit Improvisationen, Experimentierfreude und eigenen Kompositionen sowie einem gerüttelt Maß an Verrücktheit. Musikalischer Freigeist der er ist, lustwandelte er denn auch in Detmold mit seinen Musikerkollegen an den Schnittstellen zwischen allen Stilen. Und das derart mitreißend und überzeugend, dass sich schließlich doch manch Zuhörer entzückt die Hände rieb, der es sich vorher gar nicht hatte vorstellen können, dass ihm "so was" gefällt. Überschäumende Ideenfülle in Musik und Witz Ohne Offenheit und Sinn für Humor konnte man an diesem Abend in der Tat einpacken. Mit erstaunlicher Wendigkeit nämlich setzen "Georg Breinschmid & Friends" Scharniere zwischen musikalische Welten, die Schubladendenker befremden könnten. Wer sich allerdings gern unterhalten ließ, ohne auf künstlerischen Anspruch verzichten zu wollen, wer lässig blieb und sich auf Ungewohntes einzulassen bereit war, für den lieferten die Tausendsassas um Georg Breinschmid perfektes Hörfutter. Einer dieser "Friends" ist Thomas Gansch. Trompeter. Faktotum. Mit ihm gingen Breinschmid und sein Kontrabass im ersten Teil des Abends in einem aberwitzigen – nicht nur musikalischen – Dialog auf Tuchfühlung. Genial gekonnt, wie Gansch in seine Trompete hinein seufzte, einen fulminanten Höllenritt auf dem Instrument folgen ließ, nur um ihm dann die sanftesten Töne zu entlocken, die es auf Lager hat. Breinschmid, den Schalk in den Augen, antwortete mit Zupfen und Trommeln am Kontrabass; trumpfte auf mit entfesselten Improvisationskaskaden oder sang zu Schrammelmusik schrullig-skurrile Texte. Eine einmalige Kombination aus Wortwitz und Tonmalerei. Musikalisches Augenzwinkern gepaart mit Wiener Dialektgewirr auch in Teil 2 des Abends, als Vladimir Karparov (Saxophon) und Antoni Donchev (Piano) Thomas Gansch ablösten. Jazz vom Feinsten. Und noch so viel mehr. Egal, ob im Duo oder im Trio: Enormes musikalisches Können, ein zutiefst ernsthafter Impetus, Slapstick und Clownerie befeuerten sich gegenseitig und schwangen sich auf in berauschende Höhen. Atemberaubend inspirierte Instrumentalisten Fürwahr – was im Ideenlaboratorium des Georg Breinschmid entsteht, mutet mitunter ziemlich abgedreht an: Jazz und Wienerlied, Reggae, Folk, Blues. Weltmusik, Quasi-Klassik, Improvisation. Irgendwo angesiedelt zwischen Groove und Wahnsinn. Auf höchstem Niveau vermengt und aufbereitet von Musikern, die ohne Berührungsängste kenntnisreich aus dem Füllhorn der Musikgeschichte zu schöpfen wissen, sind Saxophon, Kontrabass, Trompete, Piano und Stimme nur das Sprungbrett, von der aus es mit umwerfendem Spielwitz und einer irren Aufbietung an Atem und Fingerarbeit allerorten hingehen kann. Und so dringen die Genre-Jongleure auf einer Querfeldein-Route putzmunter in musikalische Regionen ein, für die es keinen Namen gibt. Nirgendwo zu Hause und doch in allen Stilen daheim. Und trotzdem und gerade deswegen ein Heidenspaß. Verblüfft erkennt man, wie originell und originär zugleich Musik sein kann. Das sucht seinesgleichen – wie die vier es schaffen, ohne sich je zu verheddern, in einer Art Zickzackkurs eine ganz eigene Musikwelt mit einer gehörigen Portion Blödelei zu kreieren. Meisterhafte Kompositionen und Interpretationen sorgen dafür, dass die Musik dabei stets im Mittelpunkt bleibt. Eine Beschreibung des Breinschmid-Sounds ist ein Ding der Unmöglichkeit. Man muss ihn hören, muss eintauchen in dieses Sammelbecken kreativer Strömungen, in dem es jazz-pianisiert, fetzt, wuselt, raschelt, rumpelt, zischt, turtelt, scherzt, singt, seufzt, schmust, schnauft und swingt. Mit dem 5. Meisterkonzert hat die Hochschule für Musik dem Kaleidoskop von Klangstilen ihrer renommierten Konzertreihe mutig eine neue Facette hinzugefügt. Eine Facette, die aus der Reihe fällt. Zugleich haben die Initiatoren damit einen Akzent gesetzt, der – dank Künstlern, die etwas "drauf" haben und auch etwas zu sagen – dem Anspruch der Hochschule nach hochwertigen Veranstaltungen gerecht wird. Ein reizvolles Spannungsfeld mit musikalischer Substanz, aus dem Fruchtbares entstehen kann. Nicht zuletzt auch deswegen, weil es die Chance bietet, den vermeintlichen "Elfenbeinturm HfM" einem weniger klassikaffinen Publikum zu öffnen und zudem den Studierenden zeigt, dass eine Musikerkarriere unvorhergesehene Wege nehmen kann. Warum also nicht mal raus der Schublade? Das erweitert den Horizont, belebt, hebt sie Laune und macht Spaß.
vom 20.05.2017 | Ausgabe-Nr. 20B